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Onkologisches Zentrum Westpfalz e.V.


Pfälzer Tage für Hämatologie und Onkologie 1999


Diagnostik und Relevanz von Tumorzellen im Knochenmark bei Kolon- und Mammakarzinom  
Günter Schlimok, Augsburg 

Trotz radikaler lokoregionärer Therapieverfahren und fehlendem Nachweis einer hämatogenen Disseminierung mit konventionellen diagnostischen Verfahren zum Zeitpunkt der Primaroperation entwickelt ein beträchtlicher Anteil der Patienten mit epithelialen Tumoren im weiteren Verlauf Fernmetastasen. Die Ursache hierfür ist eine, noch vor Primäroperation stattfindende, hämatogene Streuung von Tumorzellen. Solange diese Zellen noch als Einzelzellen oder in kleinsten Tumorzellverbänden vorliegen, sollte die Bezeichnung ,,Mikrometastasen" vermieden werden und der Begriff ,,isolierte disseminierte Tumorzellen (IDT)" vorgezogen werden. Das Knochenmark eignet sich in besonderer Weise für den Nachweis dieser Zellen, da im Knochenmark unter normalen Umständen keine epithelialen Zellen nachweisbar sind. 
 

Methodische Aspekte [1] 

Immunzytologie 

Standardtechnik für den Nachweis von IDT im Knochenmark (IDT-KM) ist die Immunzytologie unter Verwendung monoklonaler Antikörper und der APAAP-Technik. Monoklonale Antikörper gegen Zytokeratin (CK), das Zytoskelett epithelialer Zellen, erwiesen sich spezifischer als Antikörper gegen Zellmembranantigene, wie das epitheliale Membranantigen (EMA), das humane epitheliale Antigen (HEA) 125 oder das tumor-assoziierte Glykoprotein (TAG) 72. 

Polymerase-Kettenreaktion (PCR) 

Eine zunehmende Zahl von Publikationen beschäftigt sich mit der Anwendung der PCR-Technik zum Nachweis von IDT epithelialer Tumoren. Prinzipiell muss hier unterschieden werden zwischen dem Nachweis von spezifischen Rearrangements, Mutationen auf DNA-Ebene (p53, k-ras) und dem Nachweis von m-RNA tumorassoziierter (CEA) bzw. gewebsspezifischer Marker (Zytokeratin) durch die ,,reverse Transkriptase-PCR (RT-PCR)". Das Hauptproblem der RT-PCR sind zur Zeit falsch positive Befunde, bedingt u. a. durch Amplifikation von Pseudogenen oder durch illegitime Expression kleiner Mengen tumorassoziierter m-RNA in Nicht-Tumorzellen. 
 

Klinische Ergebnisse und prognostische Relevanz Mammakarzinom 

Mit Hilfe monoklonaler Antikörper gegen Zytokeratin bzw. gegen epitheliale Zellmembran-antigene konnten beim Mammkarzinom zum Zeitpunkt der Primäroperation IDT-KM in 20 - 45 % nachgewiesen werden. Nachuntersuchungen von Diel [21] zeigten, dass der Nachweis disseminierter Tumorzellen im Knochenmark mit Hilfe des tumorassoziierten Glykoproteins 72 (TAG 72) einen unabhängigen Risikofaktor für den Rückfall bei Patientinnen mit Mammakarzinom darstellt (p<0,0005). 

Mit dem polyklonalen EMA-Antikorper fanden Mansi et al. [31] bei knochenmarkpositiven Patienten in der univariaten Analyse ein signifikant verkürztes rezidivfreies Intervall und eine verkürzte Gesamtüberlebenszeit (p<0, 005). 

Schlimok et al. [4] untersuchten die prognostische Bedeutung von Zytokeratin-positiven Zellen im Knochenmark in einer prospektiven Follow up-Studie an 349 Patientinnen. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 35 Monaten konnte die prognostische Relevanz bezüglich des Gesamtüberlebens sowohl in der univariaten (p=0,02) als auch in der multivariaten Analyse (p=0,03) gezeigt werden. 

Harbeck et al. [5] konnten diese Ergebnisse mit Hilfe eines Cocktails aus monoklonalen Antikörpern gegen Zytokeratin, EMA und TAG 72 in einer Studie an 100 Patientinnen bestätigen. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 34 Monaten zeigte sich, dass Knochenmarkpositivität in einer multivariaten Analyse einen signifikanten Prognosefaktor für das rezidivfreie und Gesamtüberleben darstellte. 

Eine neuere Studie an 506 Mammakarzinom-Patientinnen konnte unter Verwendung des Breit- and Zytokeratinantikörpers A45 -B/B 3 zeigen, dass der Nachweis Zytokeratin-positiver Zellen zum Zeitpunkt der Primäroperation mit einer signifikanten Verkürzung sowohl der rezidivfreien (p<0,0001) als auch der Gesamtüberlebenszeit (p=0,0028) einhergeht (Braun et al.). 

Ob der Nachweis von IDT-KM auch einen therapierelevanten Prognosefaktor darstellt, wird im Augenblick in einer prospektiven randomisierten adjuvanten Therapiestudie an nodal-negativen, KM-positiven Patientinnen geprüft. 

Kolorektales Karzinom 

Bei knapp 30 % der Patienten mit lokalisiertem kolorektalem Karzinom konnten zum Zeitpunkt der Primäroperation immunzytologisch IDT-KM nachgewiesen werden [6]. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 35 Monaten zeigten die Patienten mit IDT eine signifikant verkürzte rezidivfreie Überlebenszeit (p=0,008). Mittels der multivariaten Analyse konnte der immunzytologische Tumorzellnachweis als stärkster unabhängiger Risikofaktor bestätigt werden. 
 

Charakterisierung isoliert disseminierter Tumorzellen 

Mit Hilfe von Doppelmarkierungen ist eine Charakterisierung von IDT-KM möglich. Bezüglich der Expression proliferationsassoziierter Antigene (Ki67, P 120) zeigte sich, dass nur bei einem kleinen Teil der Patienten mit Mammakarzinom die IDT-KM derartige Marker aufwiesen [7]. 

Mit Hilfe einer Kombination von Immunzytologie und Fluoreszenz in-situ-Hybridisierung (FISH) gelang bei Mammakarzinom-Patientinnen der direkte Nachweis einer Amplifikation des erb B2-Gens in IDT-KM [8]. Die Gen-Amplifikation ist mit der Überexpression des Onkoproteins p185 assoziiert. Bei 60 % der Mammakarzinom-Patientinnen konnten wir p185 auf IDT-KM nachweisen [7]. Nach einer Beobachtungszeit von 64 Monaten korreliert der Nachweis p185-positiver IDT-KM sowohl in der univariaten (p=0,032) als auch in der multivariaten Analyse (p=0,034) mit einer signifikant verkürzten Gesamtüberlebenszeit. 
 

Therapiemonitoring mit Hilfe von IDT-KM 

Zur Eliminierung von IDT nach erfolgreicher Primaroperation wurden in den vergangenen Jahren eine Reihe von adjuvanten Therapiestudien mit unterschiedlichem Erfolg durchgeführt. Ein Surrogat-Marker, der frühzeitig den therapeutischen Effekt von adjuvanten Therapieverfahren aufzeigt, wäre deshalb von größter klinischer Bedeutung. 

In einer ersten Therapiestudie bei Mammakarzinom-Patientinnen mit einem monoklonalen Antikörper gegen das tumorassoziierte Lewis Y-Antigen konnte gezeigt werden, dass ein Monitoring der Reduktion von IDT-KM unter Therapie möglich erscheint [9]. Obwohl in einer weiteren Pilotstudie an Mammakarzinom-Patientinnen eine Hochdosis-Chemotherapie, gefolgt von einer autologen peripheren Stammzelltransplantation, zu einer deutlichen Reduktion der IDT-KM führte waren nach Therapieende in einem hohen Prozentsatz der Patientinnen noch IDT-KM nachweisbar. Diese konnten durch eine anschließende Antikörpertherapie weiter reduziert werden (Schlimok et al.). Die entscheidende Voraussetzung für ein effektives Monitoring ist jedoch eine Optimierung und Standardisierung des Nachweisverfahrens. 

1. Pantel K, Braun S. Passlich B, Schlimok G (1996) Minimal residual epithelial cancer. 
Progr Histochem Cytochem 30:1-62 
2. Diel JJ, Kaufmann M Goerner R, et al. (1992) Detection of tumor cells in bone marrow of patients with primary breast cancer: A prognostic factor for distant 
metastasis. J Clin Oncol 10: 1534-1539 
3. Mansi JL, Easton D, Berget U, et al. (1991) Bone marrow micrometastases in primary breast cancer: Prognostic significance after 6 years follow up. Eur J Cancer 27: 1552-1555 
4. Schlimok G, Lindemann F, Holzmann K, et al (1992) Prognostic significance of disseminated tumor cells detected in bone marrow of patients with breast and colorectal cancer: a multivariate analysis. Proc Am Soc Clin Oncol 11:102 
5. Harbeck N, Untch M, Pache L, Eiermann W (1994) Tumour cell detection in the bone marrow of breast cancer patients at primary therapy: results of a 3-year median follow-up. Br J Cancer 69:566-5 71 
6. Lindemann F, Schlimok G, Dirschedl P. et al. (1992) Prognostic significance of micrometastatic tumour cells in bone marrow of colorectal cancer patients. 
Lancet 340:685-689 
7. Pantel K, Schlimok G, Braun 5, et al. (1993) Differential expression of proliferation-associated molecules in individual micrometastatic carcinoma cells. 
J Nati Cancer Inst 85:1419-1424 
8. Müller P, Weckermann D, Riethmüller G, Schlimok G (1996) Detection of genetic alterations in micrometastatic cells in bone marrow of cancer patients by fluorescence in situ hybridization. Cancer Genet Cytogenet 88:8-16 
9. Schlimok G, Pantel K, Loibner H, et al, (1995) Reduction of metastatic carcinoma cells in bone marrow by intravenously administered monoclonal antibody: 
towards a noval surrogate test to monitor adjuvant therapies of solid tumors. 
Eur J Cancer 3 1:1799-1803 

Internetadressen 

Cancer Web

Japanese Journal of Clinical Oncology 

New Engl J Med: Kolorektales Karzinom, verbessertes Staging

Prof. Dr. Günter Schlimok 
II. Medizinische Klinik 
Zentralklinikum 
Stenglinstraße 
86156 Augsburg 
 


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Letzte Änderung: 23.06.2000