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Onkologisches Zentrum Westpfalz e.V.


Pfälzer Tage für Hämatologie und Onkologie 2000


THERAPIESTRATEGIEN BEIM NICHT-KLEINZELLIGEN BRONCHIALKARZINOM
Dr. med. E. Laack , Hamburg

Die Therapie von Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) stellt eine besondere interdisziplinäre Herausforderung in der Onkologie dar, da zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bei zwei Dritteln der Patienten schon ein lokal fortgeschrittenes oder fernmetastasiertes Stadium vorliegt. Während im lokal begrenzten Tumorstadium I und II die 5-Jahres-Überlebensrate noch zwischen 30 und 75% liegt, beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Tumorstadium IIIA oder IIIB durchschnittlich nur noch 15% bzw. 5%. Von den Patienten mit Fernmetastasen (Stadium IV) leben nach 5 Jahren sogar weniger als 2%.

Beim lokal begrenzten Tumorstadium I und II ist die primäre Operation weiterhin die wichtigste therapeutische Maßnahme. Bei Inoperabilität (z.B. eingeschränkte Lungenfunktion, Komorbidität) kommt die Strahlentherapie in kurativer Intention zum Einsatz. Der Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie ist noch nicht abschließend beurteilbar, sodass ihr Einsatz außerhalb von Studien zur Zeit noch nicht zu empfehlen ist. Aufgrund des sehr inhomogenen lokal fortgeschrittenen Tumorstadiums III A sind unterschiedliche Vorgehensweisen notwendig. Bei einem T3N1-Tumor (z.B. peripherer Tumor mit Brustwandinfiltration) ist die primäre Operation zu empfehlen, wobei je nach Operationsbefund und Ausmaß über eine anschließende Strahlentherapie entschieden werden muss. Beim Pancoast-Tumor (Sulcus-superior-Tumor) ist nach wie vor die "Sandwich-Therapie" (präoperative Radiotherapie, Operation, postoperative Radiotherapie) die Therapie der Wahl. Vor der Festlegung der Therapiestrategie bei mediastinalem Lymphknotenbefall kommt der Bestimmung der Ausdehnung des Lymphknotenbefalls eine entscheidene Rolle zu. Bei einem minimalen N2-Lymphknotenstatus ist der bisherige Standard primäre Operation mit anschließender adjuvanter Radiotherapie weiterhin eine akzeptable Therapiestrategie. Bei einem ausgedehnten N2-Lymphknotenstatus mit mehr als einer tumorbefallenen Lymphknotenstation sollte nach der bisherigen Datenlage hingegen eine Induktionstherapie durchgeführt werden. Da die Frage nach der optimalen Induktionsstrategie (Induktionschemotherapie oder kombinierte Chemoradiotherapie) beim N2-Lymphknotenstatus noch nicht beantwortet ist, sollte die Therapie vorrangig unter kontrollierten Bedingungen im Rahmen von Studien erfolgen.

Beim inoperablen Tumorstadium IIIA sowie beim Stadium IIIB sollte eine Kombination aus Chemotherapie und Radiotherapie angewendet werden, da die bisherigen Daten für eine Überlegenheit einer Kombination aus Chemotherapie und Radiotherapie gegenüber einer alleinigen Radiotherapie sprechen. Ob die Chemoradiotherapie sequentiell, simultan, alternierend oder z.B. kombiniert sequentiell-simultan erfolgen sollte, ist zur Zeit noch nicht endgültig geklärt. Dasselbe gilt für das optimale Fraktionierungsschema.

Für Patienten mit einem fernmetastasierten Tumorstadium IV gibt es zur Zeit keinen kurativen Therapieansatz, die Therapie hat hier nur einen palliativen Charakter mit dem Ziel der Lebensverlängerung und der Lebensqualitätsverbesserung. Eine Standardtherapie gibt es für Patienten in diesem Stadium bisher nicht. Eine Meta-Analyse randomisierter Studien zeigte, dass die Chemotherapie mit herkömmlichen Substanzen einer ausschließlichen "best supportive care"-Therapie hinsichtlich der Überlebenszeit überlegen ist. Eine Analyse der Einzelsubstanzen zeigte jedoch, dass Alkylanzien, wie z.B. Cyclophosphamid keinen, Vinca-Alkaloide oder Etoposid einen kleinen, aber nicht signifikanten und nur Cisplatin einen signifikanten Vorteil im Vergleich zu "best supportive care" zeigte. Häufig musste jedoch für den kleinen Überlebensvorteil eine hohe Toxizität in Kauf genommen werden. Der Suche nach neuen aktiven und gleichzeitig gut verträglichen zytostatischen Substanzen kam daher eine besondere Bedeutung zu.

Mit den Antimetaboliten Gemcitabin und MTA (multitargeted antifolate), dem Vinca-Alkaloid Vinorelbin, den Taxanen Docetaxel und Paclitaxel, den Topoisomerase-I-Inhibitoren Irinotecan und Topotecan sowie dem Benzotriazinderivat Tirapazamine stehen seit den 90er-Jahren neue aktive Zytostatika für die Therapie des metastasierten NSCLC zur Verfügung. Von diesen Substanzen haben bisher insbesondere Gemcitabin, Vinorelbin, Paclitaxel und Docetaxel das therapeutische Spektrum erweitert. In der Monotherapie wurden in Phase II-Studien Remissionsraten von zirka 15-30 Prozent, mediane Überlebenszeiten zwischen 6 und 13 Monaten und Ein-Jahres-Überlebensraten von bis über 30 Prozent erzielt. In der Kombinationschemotherapie mit Platinderivaten wurden Remissionsraten in Phase II-Studien zwischen 25 und 60 Prozent erreicht. Die medianen Überlebenszeiten lagen zwischen 8 und 15 Monaten und die 1-Jahres-Überlebensraten über 30 Prozent. Nach den bisher vorliegenden randomisierten Studien bewirken die Kombinationschemotherapien aus Vinorelbin und Cisplatin, Gemcitabin und Cisplatin sowie Tirapazamine und Cisplatin eine signifikante Verlängerung der medianen Überlebenszeit im Vergleich zur alleinigen Therapie mit Cisplatin.

Neben dem Gewinn an Überlebenszeit liegt der Hauptgewinn der neuen Zytostatika in der Symptom- und Lebensqualitätsverbesserung. Da es bis heute keine Standardchemotherapie für das metastasierte Stadium gibt, kommt der Suche nach einer wirksamen und gleichzeitig gut verträglichen Chemotherapie, die möglichst ambulant gegeben werden kann, weiterhin größte Priorität zu. Unter diesem Aspekt sind zum Beispiel Kombinationschemotherapien aus z.B. Gemcitabin und Vinorelbin in der Primärtherapie des metastasierten NSCLC sehr interessant. Zum randomisierten Vergleich einer cisplatinfreien mit einer cisplatinhaltigen Chemotherapie liegen bisher wenige Daten vor. Die bisherigen Daten und Erfahrungen deuten jedoch daraufhin, dass Cisplatin in der rein palliativen Therapiesituation beim NSCLC seinen hohen Stellenwert verloren hat und nicht mehr benötigt wird. Doch muss diese Einschätzung noch durch weitere randomisierte Studien untermauert werden. Zur Zeit laufen in Deutschland 2 randomisierte Studien zur Prüfung des Stellenwertes von Cisplatin in der Ära der neuen und gut verträglichen Zytostatika.

Um der Beantwortung der vielen offenstehenden Fragen gemeinsam ein kleines Stück näher zukommen, sollten Patienten mit einem NSCLC in randomisierte, multizentrische Studien eingeschlossen werden. Bei der Suche nach einer Standardtherapie für das metastasierte NSCLC sollte nicht vergessen werden, dass der Patient nicht nur mit der inkurablen Erkrankung leben muss, sondern auch mit der Therapie.


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Letzte Änderung: 06.11.2000